Interview mit dem Co-Studienleiter und Dozenten Prof. Dr. Volker Amelung

IKF: Herr Prof. Amelung, Sie sind Co-Studienleiter und unterrichten in unserem CAS Digital Health erfolgreich umsetzen, der in diesem Herbst/Winter zum zweiten Mal stattfindet. In diesem internationalen Online-Studiengang geht es, ergänzend zu unserem CAS eHealth, vor allem um die praktische Anwendung von eHealth-Methoden. Herr Amelung, warum braucht es diesen Kurs?

Volker Amelung: Es geht in dem Kurs zum einen um die Wissensvermittlung zu neuen und zum Teil sehr komplexen Fragestellungen. Dazu gehören beispielsweise Datenschutz- oder Interoperabilitätsaspekte. Zum anderen geht es um strategische Fragen: Wie sind neue Entwicklungen zu interpretieren und zu beurteilen? Hier ist der intensive Austausch zwischen den Studierenden und den Dozierenden unglaublich wertvoll, denn in diesem sich schnell wandelnden Feld gibt es kaum allgemeingültige Antworten. Flexibilität und Agilität in der Interpretation neuer Entwicklungen stellen heute eine Schlüsselkompetenz dar. Deshalb ist der Kurs so wichtig.

IKF: Wer sollte daran teilnehmen?

Volker Amelung: Der Kurs richtet sich an alle, die mit dem Thema Digital Health konfrontiert sind und die ein fundiertes Wissen aufbauen wollen, um kompetente Entscheidungen treffen zu können. Im Fokus steht nicht eine spezielle Zielgruppe – je mehr Interdisziplinarität unter den Teilnehmenden vorhanden ist, umso mehr können alle von den Erfahrungen der anderen profitieren.

IKF: IKF-Institutsleiterin Prof. Dr. Andréa Belliger behauptet in einem Interview, die Schweiz sei im Bezug auf eHealth ein digitales Entwicklungsland. Wie sehen Sie das? Wo stehen die Schweiz, Österreich und Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern heute bei der digitalen Transformation des Gesundheitswesens?

Volker Amelung: Auch wenn ich selbst Schweizer bin, würde ich mir nie anmassen, über die Schweiz zu urteilen. Wir sehen jedoch ganz deutlich: Es ist nicht so, dass die Länder, die über die meisten Ressourcen verfügen, beim Thema Digitalisierung ganz vorn liegen. Entscheidend für die Digitalisierung sind drei Komponenten: finanzielle Ressourcen, Technologie und Haltung. Wenn wir Länder wie die Schweiz, Österreich und Deutschland betrachten, fehlt es weder an Geld noch an Technologie. Der Aspekt der Haltung, der Lebenseinstellung fällt hier stark ins Gewicht. Und natürlich spielen auch die Machtpositionen der unterschiedlichen Akteure eine Rolle: Wer kann seine Interessen durchsetzen?

Insgesamt nutzen wir die Potenziale nicht in ausreichendem Masse. Von einem Entwicklungsland würde ich allerdings nicht sprechen, eher könnte man diese Länder als «Late Adaptors» bezeichnen. Fairerweise muss man aber auch sehen, dass dort in den letzten Jahren sehr viel passiert ist. Vor allem darf man Digital Health auch nicht losgelöst vom Gesamtkontext der Digitalisierung betrachten. Länder, die im Bereich Digital Health weit vorn liegen, sind auch in anderen Bereichen wie Bildung, Steuersystem oder der öffentlichen Verwaltung stärker digitalisiert. Das Gesundheitswesen bildet immer nur einen Mosaikstein in der Gesamtstrategie.

IKF: Hat die Corona-Pandemie die digitale Transformation im Gesundheitswesen beschleunigt oder eher ausgebremst?

Volker Amelung: Absolut beschleunigt! Durch die Pandemie sind Barrieren weggebrochen und man macht die Erfahrung, dass viele Dinge auf Distanz genauso gut funktionieren wie im Präsenz-Setting, sei es beispielsweise bei Telekonsilen oder in Tumorkonferenzen. Jetzt gilt es sicherzustellen, dass diese Errungenschaften nicht wieder verlorengehen, wenn die Pandemie vorbei ist. Allerdings hat die Corona-Krise auch die Defizite schonungslos aufgedeckt, etwa dass im öffentlichen Gesundheitsdienst Software fehlt oder dass es in Deutschland vor Corona keinen Überblick über die Kapazitäten an Intensivbetten gab. Da wurde innerhalb kurzer Zeit nachgerüstet. Insgesamt zeigt die Pandemie das grosse Potenzial der Digitalisierung, nicht nur im Gesundheitswesen.

IKF: Im vergangenen Jahr haben Sie ein Buch herausgegeben «Die Zukunft der Arbeit im Gesundheitswesen». Ebenfalls behandeln wir dieses Thema in unserem CAS Innovative Arbeitswelten: New Work & Collaboration. Für welche Veränderungen in ihrer Arbeitswelt sollten sich Health Care Professionals Ihrer Meinung nach fit machen?

Volker Amelung: Digital Health muss einen Beitrag dazu leisten, Abläufe effizienter zu gestalten. Wir sind in der Vergangenheit mit der Ressource Personal grob fahrlässig umgegangen. Wir müssen viel mehr Technologien entwickeln, durch die Health Care Professionals Zeit gewinnen. Dafür müssen wir zunächst einmal verstehen, was diejenigen, die unmittelbar in der Versorgung tätig sind, wirklich brauchen und wie man sie entlasten kann. Es geht darum, Arbeitsabläufe sinnvoller und attraktiver zu gestalten.

IKF: Zuletzt ein Stichwort, das uns alle betrifft, nicht nur Akteure im Gesundheitswesen: Patientenengagement. Wie profitieren Patienten von der digitalen Transformation im Gesundheitswesen? Was können sie selbst dazu beitragen?

Volker Amelung: Ein Patient hat heute viel mehr Möglichkeiten, seine Erkrankung – oder häufig auch seine Erkrankungen – zu managen. So kann beispielsweise eine Patientin mit Diabetes Typ 2 die eigenen Werte deutlich besser beobachten und viel autonomer Entscheidungen treffen. Sie kann mehr Verantwortung für die eigene Gesundheit und den Versorgungsprozess übernehmen.

Grundsätzlich sollte es darum gehen, Digitalisierung als Unterstützung zu verstehen. Beispiele sind die Erinnerung an die Medikamenteneinnahme oder der Anstupser, der dazu auffordert, sich zu bewegen. Früher hatten viele innerhalb von drei Tagen nach dem Praxisbesuch die Empfehlungen der Ärztin oder des Arztes schon wieder vergessen. Heute ist man durch digitale Anwendungen kontinuierlich in einen Prozess eingebunden.

Vielen Dank für Ihre spannenden Antworten, lieber Herr Prof. Amelung! Wir freuen uns schon jetzt auf Ihren Beitrag bei uns im Unterricht im CAS Digital Health erfolgreich umsetzen 2021, der am 22. September 2021 beginnt.

CAS Digital Health erfolgreich umsetzen

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CAS eHealth – Gesundheit digital

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CAS Innovative Arbeitswelten: New Work & Collaboration

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